Konflikte werden oft als etwas Negatives wahrgenommen. Es gibt Streit, es wird lauter bei Veranstaltungen, ein sachliches Gespräch ist nicht möglich. Gleichzeitig ist das Zusammenleben in einer Stadt ohne Konflikte nicht denkbar. Denn natürlich gibt es immer unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen.
Das Gute: Durch nichts wird deutlicher, was den Menschen wirklich wichtig ist und was sie brauchen, als durch Emotionen und Konflikte. Sie liefern somit wertvolle Informationen und bringen das Eigentliche, das Wesentliche schnell auf den Punkt. Meist sind nicht die Konflikte das Problem, sondern unsere Unsicherheit, wie wir gut mit ihnen umgehen können. Eine positive und gelassene Grundhaltung zu Konflikten, weil sie Dinge in Bewegung bringen, ist der erste Schritt, sie zu lösen.
Allerdings können Konflikte oft gar nicht gelöst werden. Müssen sie auch nicht. Wichtig ist nur, dass alle Beteiligten gut mit ihnen umgehen können. Hermann Hesse hat es einmal so formuliert: „Es geht ja bei großen Problemen nicht so sehr darum, sie zu lösen, als die Spannung zwischen den Polen zu ertragen.“
Wenn Gruppen gemeinsam arbeiten, müssen vorhandene Konflikte zum Thema werden. Denn Unterschiede zwischen Menschen bringen Gruppen voran. Wenn hinter Konflikten liegende Bedürfnisse ausgesprochen und genutzt werden, entsteht neue Energie und Perspektiven verändern sich. Der Konflikt wird zum Ventil, zum Motor der Veränderung, es kann etwas wirklich Neues entstehen.
Wie entstehen Konflikte?
Ein Konflikt wird üblicherweise als eine Auseinandersetzung zwischen gegensätzlichen Handlungsabsichten und unvereinbaren Standpunkten definiert. Von
Marshall B. Rosenberg, dem Erfinder der Gewaltfreien Kommunikation, stammt der Satz „Ein Konflikt ist tragischer Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses."
Hinter Konflikten stehen immer unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. Geselligkeit bei den Menschen, die spätabends ihr Stadtteilfest feiern, Ruhe bei den Anwohnerinnen und Anwohnern, die schlafen möchten und sich beschweren. Sicherheit bei der Stadtverwaltung, die den Verkehr in der Bahnhofsstraße regulieren will, Autonomie beim Radfahrer, der nicht vom Fahrrad absteigen will. Die Bedürfnisse verbergen sich oft hinter Positionen, zum Beispiel „Stadtteilfeste müssen verboten werden“ oder „Radfahrer müssen hier raus.“
Werden Bedürfnisse nicht erfüllt, haben Menschen unangenehme Emotionen wie Ärger oder Trauer. Es gibt die unterschiedlichsten Strategien, hiermit umzugehen. Oft suchen sich Menschen jemanden, dem sie die Schuld für ihre schlechten Gefühle geben können – den Nachbarn, den Autofahrerinnen, der Politik. Erst diese Strategien, mit nicht erfüllten Bedürfnissen und entsprechenden Emotionen umzugehen, führen zum Konflikt.
Konflikte fallen also nicht vom Himmel, sondern werden durch das Verhalten der Beteiligten produziert. Alle haben somit Verantwortung für den Konflikt. Und deshalb sind auch alle in der Lage, ihn zu lösen.
Wie kann man in der Moderation gut mit Konflikten umgehen?
Nach Friedrich Glasl gibt es neun Stufen der
Konflikteskalation, in denen sich der Konflikt immer mehr verhärtet und ein sachliches Gespräch nicht mehr möglich ist. Diese Konflikte brauchen eine Mediation, um bearbeitet zu werden.
Die meisten Konflikte, die zum Beispiel in der Bürgerbeteiligung auftauchen, sind nicht so dramatisch und können gut im Rahmen einer Veranstaltung auf den Tisch gebracht werden. Denn das ist der erste Schritt: das, was unter der Decke ist, in den Vordergrund zu holen, da die Themen nur dann bearbeitet werden können. Wie kann man also in partizipativen Veranstaltungen gut mit Konflikten und Emotionen umgehen?
1. Vorbereitung : Wichtig ist eine gute Vorbereitung und Analyse. Komplexität kann dann bearbeitet werden, wenn sie methodisch strukturiert wird. Welche Gruppen und Interessen gibt es? Welche Konflikte? Muss ein Konflikt im Vorfeld gelöst werden, um auf der Sachebene miteinander arbeiten zu können? Ist die Moderation neutral? Mit wem sollte im Vorfeld gesprochen werden? Wenn es viele unterschiedliche Interessen gibt, kann eine Begleitgruppe den Prozess gemeinsam planen. So können alle Anliegen berücksichtigt werden.
2. Visualisierung von Anliegen : Es wirkt deeskalierend, wenn die einzelnen Bedürfnisse und Interessen im Raum dargestellt oder visualisiert werden. Hierdurch werden Vielfalt und Unterschiede auf einen Blick sichtbar. Wenn auf dem Flipchart mit den Anforderungen an die Planung ein Baum abgebildet ist, erledigen sich Wortmeldungen zur Bedeutung des Grüns auf dem Platz möglicherweise von selbst. Und alle sehen: Neben meinem Anliegen gibt es noch zehn weitere, die berücksichtigt werden müssen.
3. Selbstorganisation in Gruppen: Gespräche in kleinen Gruppen von 6-8 Personen erhöhen die Chancen, dass sich Menschen aufeinander einlassen und zuhören. Lassen Sie Fragestellungen in kleinen, möglichst diversen Gruppen selbstorganisiert bearbeiten.
Bei Plenumsveranstaltungen hat die Moderation eine sehr wichtige Rolle. Ihre Aufgabe ist es, nicht bei den Positionen der Teilnehmenden zu bleiben, lauten sie „Ich will hier kein Gewerbe“ oder „Wir brauchen eine weitere Autospur“. Was ist Ihre Hypothese, welches nicht erfüllte Bedürfnis dahinter steckt? Und welche Emotion hören Sie aus dem Beitrag, aus dem Widerstand? Trauen Sie sich, beides auszusprechen und dem Gegenüber anzubieten:
„Ich habe den Eindruck, Sie sind wütend, weil sie Angst haben, hier nicht mehr in Ruhe wohnen zu können?“ Stimmt ihr Eindruck nicht, wird die Person ihn korrigieren. Wenn Sie keine Hypothese haben, fragen Sie:
„Was ist ihre Befürchtung?“ Die Moderation wird so zum Resonanzkörper für die Gruppe. Sie spricht aus, was alle wissen, aber keiner sagt. Und das verändert die Stimmung im Raum.
Haben zwei Gruppen oder Personen einen Konflikt, hat die Moderation die Aufgabe zu übersetzen. Sagt Frau Schmidt zu Herrn Schulz:
„Ihr macht am Ende doch eh das was ihr wollt“, dann fragen Sie Frau Schmidt:
„Sind sie wütend, weil sie möchten, dass Ihre Anliegen ernst genommen und berücksichtigt werden?“ Bestätigt Frau Schmidt, können Sie Herrn Schulz fragen:
„Ist Ihnen klar, was Frau Schmidt meint? Können Sie das nachvollziehen?“ Wichtig ist es, nicht über die Vergangenheit zu reden („im letzten Jahr habt ihr das und das gemacht“) sondern die Wut und die Enttäuschung in Bitten für die Zukunft zu transformieren und auszudrücken:
„Das was war, das können wir nicht ändern. Was ist ihre Bitte an Herrn Schulz für die Zukunft?“
Oft wird versucht, Konflikte zu ignorieren und die Tagesordnung wie gewohnt durchzuziehen. Förderlicher ist es, Missstimmungen und Gegensätze auszusprechen, wenn Sie sie wahrnehmen. Oft hat es eine große Wirkung, wenn Unterschiede plötzlich benannt und nicht vertuscht werden:
„Mein Eindruck ist, Sie haben völlig unterschiedliche Ziele für die Entwicklung ihrer Gemeinde. Was heißt das für Sie? Wie wollen Sie damit umgehen?" Und plötzlich muss nicht mehr so viel Energie investiert werden, alle Gegensätze unter den Teppich zu kehren.
Für Marshall B. Rosenberg ist eine erfolgreiche Vermittlung möglich, sobald es Gruppen gelingt, unabhängig vom Konfliktauslöser die unerfüllten Bedürfnisse in den Blick zu nehmen, die für die negativen Gefühle verantwortlich sind. Erst wenn diese Interessen und Bedürfnisse geklärt sind, kann der gemeinsame Lösungsfokus auf das Gemeinwohl gelegt werden.
Dann können alle gemeinsam überlegen, welche Strategien zur Erfüllung der Bedürfnisse nicht auf Kosten der anderen gehen. Wie sie den Kuchen vergrößern und die Chancen beider Seiten berücksichtigen können. Wenn Unterschiede sichtbar werden, ist plötzlich auch Raum da, über Gemeinsamkeiten zu reden. Denn neben unterschiedlichen Interessen gibt es oft unerwartete gemeinsame Anliegen oder Werte. Dieses Verbindende kann nun an die Oberfläche kommen.
Welche Methoden helfen bei Konflikten?
Einige Beispiele für Methoden für den Umgang mit Konflikten:
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